Wichtige Regelungen in den AVB von BU-Versicherungen: Relevante Vertragsklauseln im Leistungsfall

Papierstapel neben Lupe
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Vor einigen Wochen lockte dieses Thema den Autor zu einem Vortrag nach München. Allerdings wurde die Erwartungshaltung in Bezug auf eine Besprechung der im Versicherungsfall relevanten Klauseln in den AVB von Berufsunfähigkeitsversicherungen und eine vergleichende Bewertung der Regelungen von verschiedenen Lebensversicherern nicht erfüllt. Vielmehr kaprizierte sich der Referent auf Plattitüden wie beispielsweise, dass eine „Gelbe-Schein-Klausel“ sein muss, in den BU-Versicherungen von Beamten eine Dienstunfähigkeitsklausel sinnvoll ist und Nachversicherungsgarantien wichtig sind.

Alexander Schrehardt, Gesellschafter-Geschäftsführer, AssekuranZoom GbR © AssekuranZoom GbR

Diese Erkenntnisse sind nun wahrlich nicht neu und über den direkten Zusammenhang von „im Versicherungsfall relevanten Punkten“ und Nachversicherungsgarantien darf heftig spekuliert werden. Fair Play, eine kritische Prüfung und eine vergleichende Bewertung von im Versicherungsfall relevanten Vertragsklauseln macht Sinn und somit sollen nachfolgend wichtige Schnellauslöser einmal auf den Tarifprüfstand gestellt werden.

Gibt es „die“ Gelbe-Schein-Klausel?

Diese Frage lässt sich schnell beantworten. Nein, „die“ Gelbe-Schein-Klausel gibt es nicht. Dieser zumeist optional zu vereinbarende Schnellauslöser sichert dem Versicherungsnehmer eine Leistungszahlung im Fall einer mindestens sechsmonatigen Arbeitsunfähigkeit. Allerdings muss die Frage gestellt werden, wie ein Versicherer eine leistungspflichtige Arbeitsunfähigkeit definiert und welche Tarifleistung im Fall einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit zur Auszahlung kommt.

Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist kein geschützter Begriff. Stellt man die für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung relevante Definition des sozialrechtlichen Begriffs der Arbeitsunfähigkeit einmal der Definition des PKV-Verbandes in den Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung gegenüber, so fällt auf, dass der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sozialrecht weiter ausgelegt wird als in den MB/KT 2009. So hat ein GKV-versichertes Mitglied auch für die Dauer einer Wiedereingliederungsmaßnahme, das heißt einer stufenförmigen Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit nach langer Krankheit, Anspruch auf Krankengeld. Dieser Leistungsanspruch ist vor allem für Arbeitnehmer wichtig, da die Arbeitgeber für die Dauer der Wiedereingliederung keine Entgeltzahlung erbringen müssen.

Im Gegensatz zur sozialrechtlichen Definition der Arbeitsunfähigkeit beschränkt sich ein Anspruch auf Krankentagegeld nach den MB/KT 2009 auf eine vollständige Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person; ein Leistungsanspruch besteht somit während einer Wiedereingliederung nicht. Der Bundesgerichtshof hatte mit seinem Urteil vom 11.3.2015 (IV ZR 54/14) bestätigt, dass ein privater Krankenversicherer keine Leistungszahlung während einer Wiedereingliederungsmaßnahme erbringen muss, wenn in seinen AVB die Leistungsvoraussetzungen gemäß den MB/KT 2009 geregelt wurden. Nachdem die MB/KT 2009 keine bindende Wirkung entfalten, können die privaten Krankenversicherer ihre Kunden in ihren AVB besserstellen. Auch für die Gelbe-Schein-Regelung der Lebensversicherer sollte daher immer geprüft werden, wie eine leistungspflichtige Arbeitsunfähigkeit in den Bedingungswerken definiert wird.

Welche Tarifleistung wird ausbezahlt?

Im nächsten Prüfschritt sollte die Tarifleistung, die der Lebensversicherer im Versicherungsfall ausbezahlt, hinterfragt werden. Einige Gesellschaften mit in den Ratings der führenden Agenturen mit Topbewertungen ausgezeichneten Tarifen zahlen im Versicherungsfall die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente – zeitlich befristet – aus. Während diese Leistungszahlungen von in der GKV versicherten Kunden unproblematisch vereinnahmt werden, kann dies bei privat krankenversicherten Kunden höchst unangenehme Folgen haben.

Der PKV-Verband listet in § 15 Abs. 1 der MB/KT 2009 die „Sonstigen Beendigungsgründe“. Danach endet die Krankentagegeldversicherung im Fall der Berufsunfähigkeit der versicherten Person. Allerdings hat der PKV-Verband den Begriff der Berufsunfähigkeit abweichend von den AVB der Lebensversicherer definiert. Ein Tatbestand, auf den auch der Gesetzgeber in § 2 Abs. 4 Satz 2 VVG-InfoV ausdrücklich hinweist. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Bundesgerichtshof die privaten Krankenversicherer, sofern sie die Krankentagegeldversicherung aufgrund einer Berufsunfähigkeit der versicherten Person beenden wollen, dazu verpflichtet hat, die Berufsunfähigkeit auf der Grundlage ihrer AVB nachzuweisen (BGH v. 30.6.2010, IV ZR 163/09). Dies hatte in der Folge dazu geführt, dass die privaten Krankenversicherer ihre AVB überarbeitet haben und in den meisten Bedingungswerken der Bezug einer BU-Rente oder wegen voller Erwerbsminderung einer Berufsunfähigkeit im Sinne der Musterbedingungen gleichgestellt wird.

Sofern nach den AVB eines privaten Krankenversicherers der Bezug einer BU-Rente die Beendigung der Krankentagegeldversicherung und gegebenenfalls auch einen Anspruch auf Rückforderung von Krankentagegeld begründet, ist es unerheblich, ob der Lebensversicherer die BU-Rente aufgrund von Arbeits- oder Berufsunfähigkeit der versicherten Person ausbezahlt. Das Oberlandesgericht Hamm hatte mit seinem Urteil vom 10.2.2016 (20 U 204/15) die Beendigung einer Krankentagegeldversicherung aufgrund des Bezugs einer wegen Arbeitsunfähigkeit ausbezahlten BU-Rente bestätigt und von einer „fingierten Berufsunfähigkeit“ gesprochen.

Eigenständige Tarifleistung gefordert

Mit Blick auf die möglichen Wechselwirkungen von Krankentagegeld und BU-Rente sollte in den AVB für die Berufsunfähigkeitsversicherung eine eigenständige Tarifleistung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit benannt werden. In vielen Bedingungswerken wird die Tarifleistung, die im Fall der Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person zur Auszahlung kommt, als eine Rente in Höhe der versicherten BU-Rente bezeichnet. Einige Gesellschaften haben in ihre AVB den Begriff der Arbeitsunfähigkeitsrente aufgenommen, was den Charakter einer eigenständigen Tarifleistung nochmals unterstreicht.

Der Anspruch auf eine Leistung wegen Arbeitsunfähigkeit besteht im Versicherungsfall – in Abhängigkeit vom gewählten Versicherer beziehungsweise dem gewählten Tarif – für einen Zeitraum von zwölf bis maximal 36 Monaten. Nach den AVB der meisten Anbieter gilt dieser maximale Leistungszeitraum auch in Summe für alle mit einer Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person begründeten Versicherungsfälle während der Vertragslaufzeit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Einzelne Anbieter verzichten in ihren Bedingungswerken auf eine Höchstleistungsdauer für die Summe der Versicherungsfälle und begrenzen ihre Leistungspflicht nur für den einzelnen Versicherungsfall.

Leistungsvoraussetzung ist immer eine zusammenhängende, ärztlich nachzuweisende Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Die Prüfung und Bewertung kann immer retrospektiv und nach den AVB von Premiumtarifen auch teilweise in der Projektion erfolgen. So gewähren führende Anbieter bereits nach einer Arbeitsunfähigkeitsdauer von drei oder vier Monaten eine Leistungszahlung, wenn die versicherte Person eine bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit für einen weiteren Zeitraum von mindestens drei beziehungsweise zwei Monaten mit einem ärztlichen Testat nachweisen kann.

Substitution der Tarifleistung?

In ihren AVB erklären die Lebensversicherer, dass ein Parallelbezug von Leistungen wegen Arbeits- und Berufsunfähigkeit nicht gewährt wird. Der Bezug einer Versicherungsleistung wegen Arbeitsunfähigkeit garantiert der versicherten Person nicht nur eine (temporäre) finanzielle Sicherheit, sondern auch die Möglichkeit, bei einem bereits laufenden Rentenbezug einen Antrag auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit zu stellen. Von den Gesellschaften wird bei einer Beantragung von Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit zumeist auch eine Prüfung wegen Berufsunfähigkeit angestoßen.

Nach den AVB der meisten Lebensversicherer besteht ein Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente – vorbehaltlich einer vertraglich vereinbarten Karenzzeit – ab dem Ersten des Folgemonats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit. Mit dem Anerkenntnis einer leistungspflichtigen Berufsunfähigkeit endet der Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit und die versicherte Person erhält Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Diese Leistungsregelung gilt auch für den Fall eines rückwirkenden Anerkenntnisses der Berufsunfähigkeit ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Die bereits vom Versicherer ausbezahlten Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit werden mit den Berufsunfähigkeitsrenten verrechnet.

Ein Lebensversicherer hat in seinen AVB geregelt, dass im Fall eines rückwirkenden Anerkenntnisses einer leistungspflichtigen Berufsunfähigkeit die bereits wegen Arbeitsunfähigkeit ausbezahlten Renten zu Berufsunfähigkeitsrenten umgewidmet werden. Für die versicherte Person hat dies den Vorteil, dass das „Arbeitsunfähigkeitskonto“ wieder auf null gestellt wird und im Fall einer erneuten Arbeitsunfähigkeit die vertraglich vereinbarten Tarifleistungen in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Für Kunden mit einer Krankentagegeldversicherung beinhaltet diese dem Grunde nach vorteilhafte Regelung allerdings das Risiko einer möglichen Rückforderung von Krankentagegeld durch den privaten Krankenversicherer aufgrund des Bezugs einer BU-Rente. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass die versicherte Person den Eintritt der Berufsunfähigkeit dem privaten Krankenversicherer unverzüglich anzuzeigen hat (§ 11 MB/KT 2009).

Ist die „Gelbe-Schein-Klausel“ anzeigepflichtig?

Der PKV-Verband benennt in den Musterbedingungen unter den dem Versicherungsnehmer aufgegebenen Obliegenheiten die Verpflichtung, den Neuabschluss einer weiteren oder die Erhöhung einer bereits bestehenden Versicherung mit einem Anspruch auf Krankentagegeld anzuzeigen und die Zustimmung des privaten Krankenversicherers einzuholen (§ 9 Abs. 6 MB/KT 2009). Nachdem ein Krankentagegeld unter Anrechnung bereits bestehender Ansprüche auf Kranken(tage)geld maximal in Höhe des durchschnittlichen Nettoeinkommens versichert werden kann (§ 4 Abs. 2 MB/KT 2009), stellt sich die Frage, ob der Abschluss einer BU-Versicherung mit einer Gelben-Schein-Klausel dem privaten Krankenversicherer gemeldet werden muss.

In der laufenden Rechtsprechung wird immer wieder ausgeführt, dass Versicherungsbedingungen für einen durchschnittlichen Verbraucher ohne einschlägige Fachkenntnisse verständlich abzufassen sind. Nachdem sowohl in den MB/KT 2009 als auch in den AVB der privaten Krankenversicherer nur die Anzeige des Abschlusses oder der Erhöhung einer weiteren Versicherung mit einem Anspruch auf Krankentagegeld gefordert wird, ist die Meldung einer BU-Versicherung mit einer Gelben-Schein-Klausel zu verneinen. Über die Frage, ob der Abschluss einer Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung einem privaten Krankenversicherer anzuzeigen ist, hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe bereits mit seinem Urteil vom 16.6.2005 (12 U 381/04) entschieden. Das OLG Karlsruhe verneinte eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers und begründete dies unter anderem mit den unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten (pro rata temporis beziehungsweise pauschale Rentenleistung) von Krankentagegeld- und Arbeitsunfähigkeitsversicherung.

Fazit

Die vergleichende Bewertung der vertraglichen Grundlagen für den Schnellauslöser Arbeitsunfähigkeit zeigt, dass es „die“ Gelbe-Schein-Klausel nicht gibt. Eine plakative Schwarz-Weiß-Bewertung von BU-Tarifen mit und ohne eine Absicherung von Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit greift somit eindeutig zu kurz. Vielmehr müssen die genauen Leistungsvoraussetzungen, die Art der Tarifleistung im Versicherungsfall und – damit verbunden – mögliche Wechselwirkungen mit einer Krankentagegeldversicherung im konkreten Einzelfall geprüft werden. In der nächsten Ausgabe des expertenReport wird der Schnellauslöser Dienstunfähigkeit von Beamten auf die Agenda genommen.