Leere Hoffnung: Begünstigung durch Bezugsrecht in der Lebensversicherung

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Das Bezugsrecht regelt, wem im Versicherungsfall die vereinbarte Leistung zusteht. Versicherte können das Bezugsrecht individuell festlegen, um spätere Streitereien zu vermeiden. Warum trotz Bezugsrecht im Zweifel jemand ganz anderes Begünstigter werden kann?

Ein Beitrag von Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Bezugsrechte widerrufbar?

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Das Landgericht Frankental (Urteil vom 12.10.2022, Az. 8 O 165/22) kürte seine Entscheidung als “Entscheidung des Monats”: Es ging um den Wettlauf zwischen Erben und Bezugsberechtigtem – der rechtzeitige Widerruf des Bezugsrechts durch die Erben hatte die vor seinem Tode beabsichtigte Schenkung des Versicherungsnehmers vereitelt.

Neben dem Widerruf zur wirtschaftlichen Rückabwicklung, ganz entgegen dem Erblasserwillen, gibt es auch die Möglichkeit für Gläubiger und Nachlass-Insolvenzverwalter die Anfechtung zu erklären. Dieses Geld ist sodann nicht weg – es bekommt halt nur später ein ganz anderer Empfänger. Versäumt beispielsweise der Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker diesbezüglich tätig zu werden, gerät er unvermittelt in die Haftung auf Kompensation gegenüber dem Erben; zudem werden sich Zweifel ergeben, ob die Eignung für sein Amt gegeben ist.

Wenn am Ende niemand das Geld aus der Lebensversicherung erhält?

Wenn alle Details geheim bleiben, also Erben und Begünstigter von nichts wissen, und sich niemand beim Versicherer meldet, bleibt das Geld einfach dort wo es ist – beim Versicherer. Ähnlich wird die Situation sein, wenn Vermögen zum Beispiel bei Auslandsbanken deponiert sind.

Auch Stiftungen, bisweilen nicht nur im Ausland, unternehmen kaum Anstrengungen etwaige Begünstigungen ungefragt zu erfüllen. Sobald Verjährung eingetreten ist, kann die buchhalterische Ausbuchung derartig lästiger Verbindlichkeiten als sogenannter „außerordentlicher Ertrag“ ordnungsgemäß erfolgen.

Das Risiko für Banken und Versicherer

Auch noch nach Monaten oder Jahren könnten Erben auf die Idee kommen das an den Begünstigten ausbezahlte Vermögen zurück zu verlangen. Und dies möglicherweise nicht nur vom Geldempfänger sondern von der auszahlenden Bank oder Versicherung. Rechtsgrund für derartige Überlegungen kann nicht nur ein von Anfang an fehlender Schenkungsvertrag sein, sondern auch die nachträgliche Rechtsgestaltung für eine Rückabwicklung, wie insbesondere Widerruf und Anfechtung.

Der gesetzliche Normalfall einer Schenkung

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Wenn der Versicherungsnehmer dem widerruflich Bezugsberechtigten die Versicherungsleistung im Todesfall vorab unwiderruflich schenkt und dieser die Schenkung annimmt, dann ist dies kein widerrufliches Bezugsrecht mehr, sondern entspricht letztlich dem unwiderruflichen Bezugsrecht. Allerdings nicht für den Versicherer, solange er davon nichts weis.

Wie der Bundesgerichtshof etwa im Urteil des IX. Zivilsenats vom 22. Oktober 2015 (IX ZR 248/14) sagte, „dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung das widerrufliche Bezugsrecht zunächst nicht mehr als eine ungesicherte Hoffnung auf den Erwerb eines künftigen Anspruchs, mithin rechtlich ein Nullum ist ... Seine rechtliche Wirkung entfaltet das widerrufliche Bezugsrecht in dem ... Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls (vgl. § 159 Abs. 2 VVG). Bei einer unwiderruflichen Bezeichnung erwirbt der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungsleistung sofort (vgl. § 159 Abs. 3 VVG ... ).”

Das praktische Problem ist, daß der Versicherer in diesem „gesetzlichen Normalfall“ dem Begünstigten erst mal mitteilen müßte, daß er für den Todesfall beschenkt wurde – vielleicht scheitert dies daran daß der Versicherer vom Tode des Versicherungsnehmers nichts erfahren hat oder der Begünstige „unbekannt verzogen“ ist. Zudem müßte der Begünstigte reagieren, also die Schenkung als zweiseitigen Vertrag erst mal annehmen beziehungsweise die Leistung des Versicherers erhalten: Bis dahin kann genügend Zeit vergehen – etwa für Anfechtung und Widerruf.

Das Interesse an der Geheimhaltung

Nur wenn die Versicherung auch eine Wette auf als Leben des Begünstigten (als versicherte Person) enthält, muß der Begünstigte zustimmen – also informiert werden. Häufig besteht jedoch ein Interesse, die Einzelheiten jederzeit änderbar als Versicherungsnehmer beziehungsweise Erblasser für sich zu behalten. Vielleicht sollen auch die Erben gar nicht erst erfahren, welche Vermögenswerte übertragen wurden – beispielsweise weil damit Pflichtteilsrechte umgangen werden sollen.

Hinzu kommt es, dass der Begünstigte eventuell nicht irgendeinem Richterrecht ausgeliefert werden soll, welches dann dazu führen kann, dass der Weg zum obersten Gericht mit seiner gefestigten Rechtsprechung versperrt werden könnte – nach dem Motto „über mir gibt es nur den weißblauen Himmel“.

Schutz vor Vermögensverlust und Steuern ?

Professionelle Gestalter kennen die Person des „Protektors“ (Beschützer gemeint). So kann der Erblasser eine Stiftung oder eine andere Vertrauensperson zur Kontrolle und Durchsetzung der Vertragsabwicklung von Anfang an einsetzen. Befindet sich das Vermögen unter dessen Kontrolle und im Ausland kann sich das Steuerregime optimiert darstellen. Passende Gestaltungen, die es bei Banken und Versicherungen nicht von der Stange gibt, nutzen den „postmortalen Freibetrag“ um auch größere Vermögen steuerneutral zu übertragen.

Die Kontrollfrage an den Versicherungsnehmer wäre: „Und wer kümmert sich nach dem Ableben denn um Ihr Schließfach, in welchem Sie die Police verwahren?“. Kein Versicherungsvermittler wird auf die Idee kommen, seinen Kunden – also den Versicherungsnehmer - fest durch notarielle Vereinbarungen für die Zukunft allezeit zu binden.

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